Dienstag, 1. März 2016

Homo oeconomicus: wie die moderne Ökonomie den Mensch zum Zweck ihrer Logik macht

Da sich der homo oeconomicus als ein rationaler, stets nutzenmaximierender Agent durch die Welt bahnt, gibt es für ihn de facto keine Stakeholder, die es zu beachten gilt. Es sei denn, deren Beachtung dient der Maximierung des eigenen Nutzens, wobei man auch als „Altruist“ mit „selbstlosem Handeln“ noch seinen eigenen Nutzen maximiert. Jegliche Handlungen werden knapp an die Maxime des „Maximierens“ angebunden, das Ökonomen wie auch Managern als wertfreie Richtlinie dient. Die moderne Ökonomie, mathematik- und modellverblendet, wie auch die Aktiengesellschaft, profit- und Shareholder-Value-besessen, nehmen sich in ihrer Logik implizit wie auch oft explizit als „wertneutral“ bzw. wertfrei oder wertbefreit wahr. Sie leben in ihren eigenen, meist hermetisch abgeriegelten Theorie-Konstrukten und durchrationalisierten Profit-Universum, das als reeller als das der physischen Stakeholder (sei es der Mensch oder die Natur) wahrgenommen wird. Der Mensch und die Natur dienen nur als „Mittel“ zum „Zweck“. Dies aber widerspricht dem Grundkonzept des „Stakeholders“, der einen inhärenten Wert und Würde hat.

Wenn man in Wikipedia homo oeconomicus nachschlägt, wird man mit der folgenden Aussage begrüsst:

„Auch wenn diese Nutzenfunktion einen teilweisen oder völlig altruistischen Menschen beschreiben kann, muss dies nicht bedeuten, dass irgendeine moralische oder ethische Grundhaltung unterstellt wird.“

Das Problem mit dieser Selbstauffassung ist, dass die Nutzenfunktion nur dann einen Sinn hat, wenn es von einem rationalen Akteur ausgeschöpft wird, der in einer Welt des Maximierens und der Effizienz lebt. Nun ist es aber so, dass Begriffe wie „rational“, „Effizienz“, „Nutzen“ oder „maximieren“ nicht nur einen normativen Kern haben, aber auch rein sprachlich ein normatives Framing portieren. „Irrational“, „inneffizient“, „nutzlos“ oder „nicht-maximieren“ sind nicht nur unerwünscht, sprengen sogar dieses Wirtschaftsmodell. Und somit wird alles, sogar der homo oeconomicus selbst, nur ein Mittel zum höheren Zweck des rationalen und effizienten Markts des Maximierens.
Das Scheitern der modernen Ökonomie:

·         Epistemologisch: “Economics is not only a social science, it is a genuine science. Like the physical sciences, economics uses a methodology that produces refutable implications...“ behauptet Edward Lazear, Star-Ökonom an der Stanford Business School. Nur stimmt das nicht. Denn: Ökonomie ist nicht Physik! Da Menschen unendlich komplexer in ihrem Verhaltensrepertoire sind als z.B. Gasmoleküle, scheitern sämtliche ökonomischen Modelle und mathematischen Ableitungen an der Realität. Die Ökonomie steht vor der unlösbaren Aufgabe, entweder ihre Modelle so zu vereinfachen, dass sie ihren Realitätsanspruch verlieren (mangelnde externe Validität), oder die Komplexität ihrer Modelle so zu steigern, dass sie zwar den einschlägigen Variablen Rechnung tragen, aber durch deren schiere Anzahl und Unkontrollierbarkeit eine eindeutige Rückverfolgung einer Variabilität verunmöglicht (mangelnde interne Validität).
 
·         Empirisch-Prognostisch: Dieses epistemologische Scheitern führt zu einer prognostischen Inkompetenz, was sie wiederum als exakte Wissenschaft, wie die Physik es ist, versagen lässt.

·         Normativ: Die moderne Ökonomie ist nicht entsprechend ihrem Selbstverständnis „wertfrei“, sondern propagiert ein Menschen- und Gesellschaftsbild, das diametral zu Verhaltenseigenschaften wie Mitgefühl, Selbstlosigkeit, Teilen und Zurückhaltung ist.

·         Überheblichkeit: Ein bedeutender Teil der Ökonomenzunft entbehrt sich jeglicher Selbst-Kritik, das sie zur nötigen Reform anspornen könnte. Edward Lazear bringt es wieder – mit selbstbestätigender Logik – hervorragend auf den Punkt: “By almost any market test, economics is the premier social science.”
Es gibt Bereiche der Ökonomie, vorwiegend der Mikroökonomie, die die Bezeichnung „exakte Wissenschaft“ verdient haben. Doch es bedarf einiger Bescheidenheit, um zu einer realitätstreueren und dadurch für uns Menschen und Natur dienlicheren Wissenschaft zu finden. Und dies erfordert ein Stakeholder mit inhärenter Würde als zentraler Ausgangspunkt.
Manuel Dawson
 
Konklusion aus der Stakeholder-Perspektive:

1.       Der Homo oeconomicus propagiert ein nutzenmaximierendes, Wertfreies, bzw. Wertbefreites, Menschen- und Gesellschaftsbild, der jeglichen Stakeholder mit inhärenter Würde verunmöglicht.

2.       Der Selbstanspruch der modernen Ökonomie eine exakte Wissenschaft à la Physik zu sein, ist gescheitert. Eine gute Dosis Bescheidenheit und einem Stakeholder als Ausgangspunkt würde zu einer für Menschen und Natur dienlicheren Wissenschaft führen.

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